Goyas Geister
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Original Titel Goya's Ghosts Kinostart 23.11.2006 Genre Drama Erscheinungsjahr 2006 Land E/ F/ USA Verleih Tobis |
Regie Milos Forma Autor Jean-Claude Carrière/ Milos Forman Laufzeit 114 Minuten FSK ab 12 Jahren Hauptdarsteller Javier Bardem Natalie Portman Stellan Skarsgård Randy Quaid |
Der Geist des Amadeus
INHALT
Spanien 1792. Inés (Natalie Portman), die junge Muse des berühmten Hofmalers Francisco Goya (Stellan Skarsgard), wird vor das Tribunal der Inquisition gezerrt und der Ketzerei beschuldigt. Dank Goyas Fürsprache wendet der finstere Mönch Lorenzo (Javier Bardem), Hauptstreiter der Inquisition, zwar die Todesstrafe ab, doch er gerät selbst in Ungnade und muss fliehen. 16 Jahre Später – Napoleons Streitkräfte sind inzwischen in Spanien einmarschiert – kommt Inés schließlich aus dem Kerker frei. Auch Lorenzo kehrt zurück, jetzt allerdings als glühender Verfechter der Revolutionsideale und Hauptankläger der alten spanischen Ordnung. Es kommt zum verhängnisvollen Wiedersehen zwischen Goya, Lorenzo und Inés.
KRITIK
Milos Forman macht die Filme, die sonst niemand machen würde. Seinen Durchbruch in Hollywood erlebte er in den 70er Jahren mit dem vielfach preisgekrönten "Einer flog übers Kuckucksnest", in den 80ern begeisterte er mit dem grandiosen "Amadeus" und in den 90ern widmete er sich weniger bekannten, dafür aber umso interessanteren Persönlichkeiten: Dem Pornozeitschriften-Herausgeber Larry Flynt ("Larry Flynt – Die nackte Wahrheit") und dem genialen Komiker Andy Kaufman ("Der Mondmann"). Seit diesem letzten Film sind nun schon sieben Jahre vergangen, jetzt kehrt Forman mit einem weiteren eigensinnigen Ansatz zurück und erfüllt sich damit einen Traum, der ihn schon seit Jahrzehnten verfolgt: Einen Film über den spanischen Maler Goya zu machen. Oder besser gesagt: mit dem spanischen Maler Goya. Denn viel erfährt man über den genialen Künstler nicht. Goya ist in Formans Film ein stiller Beobachter seiner Zeit, der die unruhige Episode zwischen spanischer Inquisition und französischer Revolution miterlebt. Das Potenzial, das in diesem spannenden Ansatz steckt, wird mit "Goyas Geistern" leider nicht vollends ausgeschöpft.
Forman will seinen Film zwar nicht als geplante Analogie auf die heutige Zeit verstanden wissen, deutet aber immer wieder auf Parallelen hin. So erklärt er in Interviews, dass Napoleon vor der Invasion in Spanien davon ausging, das spanische Volk werde ihn feiern und dabei sogar denselben Wortlaut nutzte, wie es später Dick Cheney in Bezug auf den Irak tun sollte. Forman gelingt das Bild einer Gesellschaft, die sich stets den jeweiligen Machthabern fügt: die Kirche in Zeiten der Inquisition feiert, sie wenig später unter dem Einfluss der französischen Revolution verschmäht, um sie Jahre später um Verzeihung zu bitten. Er zeigt uns die automatische Intoleranz von Ideologien, die eine universelle Gültigkeit für sich beanspruchen – im Film ist es erst die Inquisition und später das Frankreich unter Napoleon, heute wohlmöglich die "Demokratie" nach US-amerikanischem Verständnis.
Sollte der Film noch rechtzeitig in die amerikanischen Kinos kommen (zur Zeit steht noch kein Termin für einen US-Start), ist er mit Sicherheit ein heißer Kandidat für Kostüm- und Ausstattungsoscars. Wie schon in "Amadeus" fühlt man sich in eine fremde Zeit zurückversetzt, ohne dass der Film dabei wie ein Historien-Schinken wirkt. Zum gelungenen Film-Erlebnis tragen – mit Abstrichen – auch die Darsteller bei. Zwar ist Goya-Mime Stellan Skarsgard als weniger bekannter Schauspieler eine willkommene Abwechslung, dafür bleibt er in seiner Rolle aber auch erstaunlich blass. Der Spanier Javier Bardem als Pater Lorenzo überzeugt dagegen auf der ganzen Linie und auch Natalie Portman hat in ihrer Doppelrolle einige starke Szenen – die Zahnprothese, mit der sie im letzten Teil durch den Film laufen muss, wirkt dagegen etwas aufgesetzt.
Ein interessanter Ansatz, tolle Bilder und starke Darsteller: Das Hauptproblem des Films scheint also tatsächlich das Drehbuch zu sein. Das verwundert schon ein wenig, hat doch nicht nur der Regisseur selbst, sondern auch Jean-Claude Carrière daran mitgewirkt, der bereits für große Filmemacher wie Luis Buñuel und Louis Malle schrieb. Mit "Goyas Geistern" können sich die Autoren allerdings nicht entscheiden, welche Schwerpunkte sie innerhalb ihrer Geschichte setzen. Über die wichtige Figur der Inés wissen wir kaum etwas, da wird sie auch schon von der Inquisition gefoltert. Was für Motive hat Pater Lorenzo wirklich? Und dann Goya: Die Einbindung des berühmten Malers erfüllt letztendlich kaum einen Zweck, trägt vielmehr dazu bei, dass der Film überladen wirkt. So verlässt man das Kino mit einer merkwürdigen Unzufriedenheit, die sich gar nicht leicht erklären lässt. Sind die Erwartungen an Regisseure vom Forman-Format einfach zu hoch?
Denn "Goyas Geister" ist alles andere als ein schlechter Film. Forman gelingt es auch hier ein historisches Thema mit einer angenehmen Selbstverständlichkeit filmisch zu bearbeiten, eine Haltung einzunehmen ohne dabei Geschichte zu verfälschen. Die Schauplätze sehen toll aus, der Film hat starke Szenen und erfüllt auch seine Funktion als Parabel auf die Gegenwart. Lediglich dem Anspruch, den man an einen Film von Milos Forman mittlerweile haben darf, dem wird "Goyas Geister" nicht gerecht. Zuviele kleinere Mängel stoßen auf, zu undeutlich ist die Richtung des Films. Goyas Leitlinie hieß stets "Ich male, was ich sehe." Der Film über ihn ist leider etwas kompliziert geworden, so wunderbar simpel dieser Satz auch ist.
FAZIT
Man verzeiht diesem großen Regisseur ja alles, aber nach der Sichtung von "Goyas Geistern" muss man sich eingestehen: Ein weiteres Meisterwerk von Milos Forman ist dieser Film nicht geworden. "Goyas Geister" ist ein Beispiel dafür, wie selbst das ambitionierteste Projekt – mit einem großen Regisseur, einem der besten Drehbuch-Schreiber überhaupt und starken Schauspielern – scheitern kann. Der Film stellt keinen Vergleich zu früheren Forman-Filmen wie "Einer flog übers Kuckucksnest", "Amadeus" oder dem vielfach unterschätzten "Man on the Moon" dar. Was bleibt ist die Hoffnung, dass man auf den nächsten Forman nicht wieder sieben Jahre warten muss.
Von Till Kadritzke

KRITIK

Forman will seinen Film zwar nicht als geplante Analogie auf die heutige Zeit verstanden wissen, deutet aber immer wieder auf Parallelen hin. So erklärt er in Interviews, dass Napoleon vor der Invasion in Spanien davon ausging, das spanische Volk werde ihn feiern und dabei sogar denselben Wortlaut nutzte, wie es später Dick Cheney in Bezug auf den Irak tun sollte. Forman gelingt das Bild einer Gesellschaft, die sich stets den jeweiligen Machthabern fügt: die Kirche in Zeiten der Inquisition feiert, sie wenig später unter dem Einfluss der französischen Revolution verschmäht, um sie Jahre später um Verzeihung zu bitten. Er zeigt uns die automatische Intoleranz von Ideologien, die eine universelle Gültigkeit für sich beanspruchen – im Film ist es erst die Inquisition und später das Frankreich unter Napoleon, heute wohlmöglich die "Demokratie" nach US-amerikanischem Verständnis.

Ein interessanter Ansatz, tolle Bilder und starke Darsteller: Das Hauptproblem des Films scheint also tatsächlich das Drehbuch zu sein. Das verwundert schon ein wenig, hat doch nicht nur der Regisseur selbst, sondern auch Jean-Claude Carrière daran mitgewirkt, der bereits für große Filmemacher wie Luis Buñuel und Louis Malle schrieb. Mit "Goyas Geistern" können sich die Autoren allerdings nicht entscheiden, welche Schwerpunkte sie innerhalb ihrer Geschichte setzen. Über die wichtige Figur der Inés wissen wir kaum etwas, da wird sie auch schon von der Inquisition gefoltert. Was für Motive hat Pater Lorenzo wirklich? Und dann Goya: Die Einbindung des berühmten Malers erfüllt letztendlich kaum einen Zweck, trägt vielmehr dazu bei, dass der Film überladen wirkt. So verlässt man das Kino mit einer merkwürdigen Unzufriedenheit, die sich gar nicht leicht erklären lässt. Sind die Erwartungen an Regisseure vom Forman-Format einfach zu hoch?
Denn "Goyas Geister" ist alles andere als ein schlechter Film. Forman gelingt es auch hier ein historisches Thema mit einer angenehmen Selbstverständlichkeit filmisch zu bearbeiten, eine Haltung einzunehmen ohne dabei Geschichte zu verfälschen. Die Schauplätze sehen toll aus, der Film hat starke Szenen und erfüllt auch seine Funktion als Parabel auf die Gegenwart. Lediglich dem Anspruch, den man an einen Film von Milos Forman mittlerweile haben darf, dem wird "Goyas Geister" nicht gerecht. Zuviele kleinere Mängel stoßen auf, zu undeutlich ist die Richtung des Films. Goyas Leitlinie hieß stets "Ich male, was ich sehe." Der Film über ihn ist leider etwas kompliziert geworden, so wunderbar simpel dieser Satz auch ist.
FAZIT

Von Till Kadritzke
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